Landwirtschaft
Insektenschutz ist gesamtgesellschaftliche Aufgabe


Kooperation statt Verbote und Auflagen
„Der Schutz von Insekten und die Förderung der Biodiversität sind auch unseren Landwirten wichtige Anliegen. Sie werden in den Betrieben zunehmend durch praktikable und wirtschaftlich tragfähige Maßnahmen umgesetzt. Die Erträge vieler Kulturpflanzen von zum Beispiel Obstbäumen, Raps und Rotklee werden durch die Bestäubung durch Bienen und andere Insekten deutlich verbessert. Darüber hinaus helfen Nützlinge wie Florfliegen und Marienkäfer, tierische Schädlinge in Schach zu halten.“ Darauf hat der Präsident des Hessischen Bauernverbandes (HBV), Karsten Schmal, in Bezug auf den Entwurf des Bundesumweltministeriums zum Insektenschutzgesetz hingewiesen. Die Beratungen dazu laufen jetzt auf Bundesebene an. Der auf dem Aktionsprogramm Insektenschutz der Bundesregierung basierende Gesetzentwurf enthalte zahlreiche Verbote und Auflagen, die die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen erheblich einschränkten. Dazu gehöre unter anderem das Verbot von Herbiziden und bestimmten Insektiziden in Schutzgebieten des Naturschutzrechts sowie die über die Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes geplante Ausweitung des Verbots der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf bis zu zehn Meter breiten Streifen an Gewässern. Einerseits fehle eine Folgenabschätzung, mit der die Betroffenheit der Landwirtschaft fundiert bewertet werde, andererseits bedürften Leistungen der Bauern in Bezug auf die Verbesserung der Artenvielfalt einer gezielten Förderung.
„Das Aktionsprogramm Insektenschutz und das Insektenschutzgesetz werden nicht in ihrer Zielsetzung, sondern hinsichtlich der vorgesehenen ordnungsrechtlichen Maßnahmen abgelehnt. Deshalb müssen die Aktivitäten der Bundesregierung zum Insektenschutz grundlegend überprüft und überarbeitet werden“, fordert Präsident Schmal und betont: „Kooperation statt Verbote – das muss die Devise sein.“ Der Gesetzentwurf zum Insektenschutz sei auch deshalb unausgewogen und dringend korrekturbedürftig, weil wesentliche Einflussfaktoren auf den Insektenrückgang, etwa der Flächenverbrauch, die Lichtverschmutzung, klimatische Veränderungen und die zunehmende Mobilität nicht konsequent angegangen würden. „Insektenschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, auch Kommunen und jeder Einzelne kann dazu einen Beitrag leisten. Auf öffentlichen Flächen sowie in Haus- und Vorgärten gibt es ein enormes Potential, die Lebensbedingungen von Insekten durch geeignete blühende Pflanzen zu verbessern“, hebt Schmal hervor. Die hessischen Landwirte seien in den letzten Jahren durch die zunehmende Anlage von Blühstreifen und anderen Agrarumweltmaßnahmen mit gutem Beispiel vorangegangen. Um die notwendigen Veränderungen am Gesetzentwurf herbeizuführen, wenden sich die Damen und Herren Vorsitzenden der Kreis- und Regionalbauernverbände im Vorfeld der bald beginnenden Beratungen im Bundesrat und Bundestag mit einem entsprechenden Schreiben oder in direkten Gesprächen an Bundes- und Landtagsabgeordnete. Um ihren Forderungen mehr Nachdruck zu verleihen, erhalten die Abgeordneten ein Päckchen mit einem Positionspapier, Blühsaatgut, ein Glas Honig und eine Videobotschaft von HBV-Präsident Schmal. Zusätzlich informiert ein Flyer über das Engagement der hessischen Bauernfamilien im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative „Hessens Landwirtschaft blüht für Bienen“.


Landwirtschaft
Schweinestau droht zu eskalieren


Deutscher Tierschutzbund fordert Systemwechsel
Foto: A.Farkas/afi
Angesichts des Rückstaus von Schweinen in Mast- und Aufzuchtbetrieben fordert der Deutsche Tierschutzbund eine Abkehr vom nicht krisensicheren System der Schweine-„Produktion“. Maßnahmen, wie die von Bundesministerin Julia Klöckner geforderte Schlachtung an Wochenenden und Feiertagen lösten das Problem nicht langfristig. Akute Auslöser für den „Schweinestau“ in den Ställen sind die durch Corona eingeschränkten Schlacht- und Zerlegekapazitäten sowie die Afrikanische Schweinepest (ASP), welche die Abnahme der Schweine und den Absatz des Fleisches erschwert.
„Das bestehende System der Agrarindustrie mit seiner eng getakteten und allein am Profit orientierten Intensivtierhaltung stößt an seine Grenzen. Die derzeit dramatische Lage zeigt: Das System ist nicht krisensicher. Lediglich die Schlachtkapazitäten zu erhöhen, wird langfristig nicht helfen. Der Systemwechsel, der insbesondere mit der Reduzierung von Beständen einhergehen muss, ist lange überfällig und dringender denn je, da ein Ende der Schwierigkeiten durch Corona und die ASP nicht absehbar ist. Die Ferkelerzeugung muss jetzt heruntergefahren werden. Ebenso braucht es eine Flächenbindung der landwirtschaftlichen Tierhaltung, eine Dezentralisierung und eine Abkehr von der Exportorientierung“, fordert Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.
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In konventioneller Haltung leben Schweine auf sehr engem Raum, der durch die derzeitige Überbelegung weiter schrumpft. Zu viele Schweine in einer Bucht konkurrieren um Ressourcen, wie Platz, Futter und Wasser oder Beschäftigungsmaterial. Durch die massive Überbelegung verschlechtert sich auch die Luftqualität; Schadgaswerte können ansteigen, was die Atemwege belastet und die Gesundheit der Tiere gefährdet. Eine solche Situation bedeutet Stress und kann auch zu Verhaltensstörungen und gesteigerter Aggression und damit Verletzungen führen. Aus Sicht des Deutschen Tierschutzbundes muss jedoch für jedes Schwein der Zugang zu den notwendigen Ressourcen gewährleistet sein. Reichen die Fressplätze nicht mehr aus, muss beispielsweise eine Bodenfütterung Abhilfe schaffen. Eine weitere Vergrößerung des Rückstaus müsse kurzfristig und mit vereinten Kräften unter anderem durch die Wiederherstellung des normalen Arbeitsbetriebs in Schlacht- und Zerlegeunternehmen verhindert werden — immer unter Berücksichtigung des Arbeitsschutzes und der Hygieneregeln. Nichtsdestotrotz müsse jetzt an den großen Stellschrauben gedreht werden, um in Zukunft eine resiliente Form der Landwirtschaft zu ermöglichen. Hier sieht der Verband die Politik in der Pflicht.
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Landwirtschaft
SocialLab – Nutztierhaltung im Spiegel der Gesellschaft


Die Haltung von Nutztieren wird in der Öffentlichkeit zunehmend kritisch hinterfragt; die gesellschaftlichen Vorstellungen und die moderne landwirtschaftliche Praxis liegen teils weit auseinander. In diesem Kontext ist das Verbundprojekt “SocialLab” angesiedelt.
Seit 2015 hat ein interdisziplinäres, wissenschaftliches Konsortium unter Führung des Thünen-Instituts die gesellschaftliche Sicht auf die Nutztierhaltung untersucht. Ziel war es, ein differenziertes Bild der Entwicklung der Wahrnehmungen und Erwartungen und damit der bestehenden gesellschaftlichen Kritik differenziert zu erhalten. Nun haben die Wissenschaftler die Forschungsergebnisse in Berlin vorgestellt.
Mit Befragungen, der Analyse von Einkaufsdaten, Eye-Tracking, aber auch mit innovativen neurowissenschaftlichen Verfahren haben sie untersucht, wie die einzelnen Akteure die Tierhaltung in der Landwirtschaft wahrnehmen und wie der Handel die Vermarktungssituation einschätzt. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat das dreijährige Projekt mit knapp 2,4 Millionen Euro gefördert.
Ziele des Projektes waren die…
- differenzierte Untersuchung der Kritik an der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung durch unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen.
- Skizzierung von Wegen, um gesellschaftliche Akzeptanz zurückzugewinnen.
- Unterstützung der Weiterentwicklung einer Nutztierhaltung in Deutschland, die gesellschaftlich akzeptiert und wirtschaftlich tragfähig ist.
Der Ansatz des SocialLab ist dabei, dass es ganz grundsätzlich um das bessere Verstehen geht. Die Wissenschaftler forschten einerseits entlang der Frage, wie die Bürger die Tierhaltung wahrnehmen, andererseits, wie Landwirte ihre eigene Tierhaltung wahrnehmen und wo von beiden Seiten Kritik geäußert wird.
Verstehen ist die Voraussetzung für Akzeptanz
Die Ergebnisse von gemeinsamen Diskussionsrunden mit Verbrauchern und Landwirten zeigen, dass…
- Verbraucher und in Grenzen auch Landwirte bereit sind, ihre Einschätzungen zu ändern, wenn sie die Sichtweise der anderen Gruppe kennen lernen.
- Verbraucher ihre Einschätzung dabei deutlich stärker als Landwirte ändern. Verbraucher sind offener für neue Informationen und neue Argumente und passen ihre Bewertung eher an — möglicherweise auch, weil die sich daraus ergebenden Konsequenzen (noch) nicht mitbedacht werden.
- Landwirte, die eigenen betrieblichen Zusammenhänge einbeziehen und eher daran interessiert sind, aufzuklären, als selbst neue Informationen aus den Diskussionen mit Verbrauchern zu gewinnen.
- Verbraucher die Möglichkeit, Informationen durch die Landwirte zu erhalten, aufgreifen und Fragen an Landwirte richten.
SocialLab zeigt den Bedarf für ein Diskussionsformat zu Fragen der marktwirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder politischen Umsetzung der Weiterentwicklung der Nutztierhaltung aus Sicht verschiedener Stakeholder. Notwendig sind Diskussionsplattformen für einen partizipativen Multi-Stakeholder-Diskurs, der realistische Perspektiven für die Entwicklung einer gesellschaftlich akzeptablen Nutztierhaltung entwickelt.
Ob Top oder Flop entscheidet sich am Regal
Der Vermarktungserfolg von Innovationen in der Nutztierhaltung wird nicht im Stall, sondern am Regal entschieden. Daher hat der Handel die wohl wichtigste Rolle, denn dieser ist in der Lage, die oft nur latenten Präferenzen der Verbraucher am Point of Sale durch eine nachhaltige Nutztierhaltung zu präsentieren. Derzeit sieht sich der Handel jedoch viel mehr als Bereitsteller von Produkten, ohne eigene Möglichkeiten der Beeinflussung der Kaufentscheidung zu nutzen.
Klöckner: Ergebnisse geben wertvolle Hinweise
Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, erklärt zu dem Projekt: “Die Forschungsergebnisse geben wertvolle Hinweise, was Verbraucher, Bürger aber auch Produzenten denken. Für unsere politische Arbeit können wir hieraus Handlungsempfehlungen ableiten. Denn gerade die Tierhaltung ist geprägt von Missverständnissen und ungeklärten Fragestellungen. Sie ist – wie viele Bereiche der Landwirtschaft – geprägt davon, dass manche Verbraucher ein idealisiertes Bild im Kopf haben.“
Das Vorhaben “SocialLab – Nutztierhaltung im Spiegel der Gesellschaft” geht auf eine Initiative des Thünen-Instituts für Marktanalyse zurück. Daneben sind noch sieben weitere Forschungseinrichtungen aus dem universitären und außeruniversitäreren Umfeld beteiligt gewesen. Das Projekt lief von 2015–2018.
Interdisziplinär zusammen gesetzte Forschergruppe
Zur Umsetzung dieses Vorhabens hatten sich die Antragsteller zu einem interdisziplinären wissenschaftlichen Konsortium zusammengeschlossen. Die verschiedenen Forschungsthemen wurden gemeinsam bearbeitet, wobei die Anzahl der beteiligten Partner variierte.
Projektbeteiligte:
• Thünen-Institut für Marktanalyse, Braunschweig (Koordination)
• Fachhochschule Südwestfalen, Soest (Fachbereich Agrarwirtschaft)
• Georg-August-Universität Göttingen (Lehrstuhl Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte)
• Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (Lehrstuhl für Betriebswirtschaft insbes. Marketing )
• Privates Forschungs- und Beratungsinstitut für angewandte Ethik und Tierschutz INSTET, Berlin
• Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik)
• Technische Universität München (Lehrstuhl für Marketing und Konsumforschung)
• Zeppelin-Universität Friedrichshafen als assoziierter Partner (Gastprofessur für Konsumverhalten und Verbraucherpolitik)
Quelle:
Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Foto: Ingo Tonsor@LeserECHO.de