Wirtschaft
Jeder dritte Mittelständler erwartet Rückzug aus globalen Wertschöpfungsketten

Die Corona-Pandemie hat die Weltwirtschaft hart getroffen und den internationalen Handel einbrechen lassen. Als Teil globaler Wertschöpfungsketten ist auch der deutsche Mittelstand von Nachfragerückgängen und Produktionsunterbrechungen im Ausland betroffen. Die Krisenerfahrungen veranlassen Unternehmen, ihre Absatz- und Beschaffungsstrategien zu überprüfen und anzupassen. Jeder dritte Mittelständler (32 %) erwartet, dass sich viele Unternehmen infolge der Corona-Krise aus globalen Wertschöpfungsketten zurückziehen werden. Von den kleinen und mittleren Unternehmen, die selbst von gestörten Lieferketten betroffen sind, geht sogar jedes zweite von einer stärkeren Regionalisierung der Produktion oder Dienstleistungserstellung aus. Dies zeigen die repräsentativen Ergebnisse einer aktuellen Sonderbefragung von mehr als 2.000 mittelständischen Unternehmen durch KfW Research.
Rund ein Viertel aller Mittelständler erwartet dagegen nicht, dass globale Wertschöpfungsketten infolge der Corona-Krise an Bedeutung verlieren. Darin spiegelt sich die Überzeugung, dass die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung auch weiterhin fortbestehen und eine zu starke Fokussierung auf nationale oder europäische Wertschöpfungsketten die Anfälligkeit für regionale Schocks erhöht.
Wird der internationale Handel erschwert, reduziert sich die Möglichkeit, länderspezifische Risiken zu diversifizieren. So sind globale Rezessionen selten, während sich weltweit nahezu immer ein Land gerade in einem Konjunkturtief befindet. Doch schon vor der Corona-Krise hatte die Globalisierung an Dynamik verloren. Diese Entwicklung könnte sich durch die Betonung nationaler Interessen seitens politischer Akteure in vielen Staaten als Reaktion auf die globale Rezession weiter verstärken. Im deutschen Mittelstand rechnen 38 % mit mehr staatlichem Protektionismus und Abschottung infolge der Corona-Pandemie. Etwa jedes vierte Unternehmen zeigt sich dagegen optimistisch und rechnet langfristig nicht mit einer Verschlechterung der Handelsbedingungen durch die Corona-Krise.
„Unternehmen, die sich auf nur wenige Märkte konzentrieren können oder müssen, sind besonders verwundbar,“ so KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib. „Mittelständler sind daher gut beraten, neue Absatz- und Beschaffungsmärkte zu erschließen.“ Mehr als die Hälfte der exportierenden kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland sei in nicht mehr als zwei Zielregionen aktiv.
Eine höhere Widerstandsfähigkeit gegenüber zukünftigen Schocks müssen sich Unternehmen jedoch auch leisten können. Bei hohem Wettbewerbsdruck können die zu erwartenden, kurzfristigen Effizienzverluste Unternehmen davon abhalten, ihre Wertschöpfungsketten umzubauen. Nachdem Unternehmen sich in der Coronakrise verschuldet haben, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken, kann zudem für sie der Zugang zu finanziellen Mitteln erschwert sein, die sie für den Umbau von Lieferbeziehungen oder die Erschließung neuer Absatzmärkte benötigen. „Neue digitale Technologien erleichtern die Einbindung in globale Wertschöpfungsketten und können Unternehmen helfen, besser mit Risiken in ihren Lieferbeziehungen umzugehen. Damit fällt die Entscheidung für mehr Resilienz leichter und der Mittelstand ist für die nächste Krise besser gerüstet,“ sagt KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib.

Lokal
Im Bau stürzt die Stimmung ab und es fehlt an Material

Die Materialengpässe auf dem Bau haben sich nochmals deutlich verschärft. Gleichzeitig haben sich die Erwartungen in der Branche dramatisch verschlechtert. Das geht aus den Umfragen des ifo Instituts hervor. Im Hochbau zeigten sich im April 54,2 Prozent der Betriebe von Lieferengpässen betroffen, nach 37,2 Prozent im März, beim Tiefbau 46,2 Prozent, nach noch 31,5 Prozent. „Das sind Höchststände seit Beginn der Zeitreihe 1991“, sagt ifo-Forscher Felix Leiss. Auch die Geschäftserwartungen haben sich verdunkelt. Im Hochbau notierten sie bei minus 46,9 Punkten, das ist ebenfalls der tiefste Stand seit 1991. Im Tiefbau waren es sogar minus 48,6 Punkte.
„Russland und die Ukraine sind wichtige Lieferanten von Baustahl, hier herrscht nun Knappheit. Beim Bitumen – benötigt für den Straßenbau und zur Abdichtung – gibt es weitere Verwerfungen. Die Herstellung vieler Baumaterialien ist zudem sehr energieintensiv. Die starken Preisanstiege bei den Energieträgern bedrohen deshalb auch die heimische Produktion und sorgen für weitere Verteuerungen beim Baumaterial“, ergänzt Leiss.
„Bei laufenden Projekten stellt sich die Frage, inwieweit Kostensteigerungen weitergegeben werden können. Neue Projekte sind kaum kalkulierbar. Auf der anderen Seite steigen für Bauherren die Zinsen für die Finanzierung“, sagt Leiss weiter. Daher kommt es bereits zu mehr Auftragsstornierungen, wie die ifo-Umfrage weiter zeigt. Im April meldeten das 7,5 Prozent der Hochbauer, nach 4,6 Prozent im März. Bei den Tiefbauern beklagten 9,3 Prozent Stornos, im März waren es nur 3,9 Prozent.

Lokal
VC-Markt im Stimmungshoch

Der Stimmungsaufschwung auf dem deutschen Venture Capital-Markt setzt sich auch im 2. Quartal 2021 fort. Der Geschäftsklimaindikator des Frühphasensegments steigt um 10,5 Zähler auf 37,8 Saldenpunkte und markiert damit einen neuen Bestwert. Das Geschäftsklima wird dabei maßgeblich durch die Geschäftserwartungen beflügelt, während sich die aktuelle Geschäftslage nur leicht bessert. Der Indikator für die aktuelle Geschäftslage steigt um 4,6 Zähler auf 36,0 Saldenpunkte, der Indikator für die Geschäftserwartung deutlich um 16,4 Zähler auf 39,6 Saldenpunkte. Die Erwartungen auf Sicht von 6 Monaten waren somit noch nie höher.
Die Entwicklung von insbesondere drei Klimakomponenten hat das Rekordklima befeuert: des Fundraisings, der Exitmöglichkeiten und der Stärke des Dealflows. Alle drei Indikatoren haben neue Bestmarken gesetzt. Das Fundraisingklima toppt knapp seinen bisherigen Bestwert von Anfang 2019 aufgrund deutlich gestiegener Erwartungen auf Sicht von 6 Monaten. Beim Exitklima haben sowohl die Beurteilung der Lage als auch der Erwartungen deutlich zugelegt. Der bisherige Bestwert vom Herbst 2018 konnte hier klar übertroffen werden. Die Beurteilung der Stärke des Dealflows ist knapp besser als der bisherige Bestwert von Herbst 2016, ermöglicht durch deutlich gestiegene Erwartungen auf 6‑Monats-Sicht.
Die stärkste Veränderung zeigt sich bei der Zufriedenheit mit den Einstiegsbewertungen, deren Indikator um 33 Punkte auf ein Allzeittief eingebrochen ist – auch das senkte die Investitionsbereitschaft. Tatsächlich sind im 2. Quartal die Dealvolumen ab Serie A / Runde 1‑Finanzierungen merklich angestiegen. Zudem erreichten drei neue Start-ups erstmals eine Bewertung von 1 Mrd. USD und damit den Status von „Einhörnern“.
„Zwei Megadeals über jeweils rund 1 Mrd. US-Dollar haben den deutschen VC-Markt im zweiten Quartal auf ein neues Level gehievt, die Stimmung übertrifft alles bisher Gesehene“, sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. „Lediglich die gestiegenen Einstiegsbewertungen sind für viele Investoren ein Ärgernis, haben bisher jedoch keinen maßgeblichen Einfluss auf das Geschäftsklima. Die Entwicklung der Dealvolumen deutet darauf hin, dass sich die Bewertungen vor allem bei Folgefinanzierungsrunden erhöht haben und weniger bei Seed-Finanzierungen. Das kann man auch als Erfolg sehen, nämlich dass den deutschen Start-ups, die sich ‚etablieren‘ konnten, mittlerweile mehr zugetraut wird.“
“Das zweite Quartal war gekennzeichnet durch rege Investitionstätigkeit und nicht zuletzt einige herausragende Finanzierungsrunden. Immer mehr Einhörner sind ein großer Erfolg für die Gründer und ihre Investoren. Dies spricht für die deutschen Startups und freut uns sehr“, sagt Ulrike Hinrichs, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des BVK. „Nicht zuletzt die Zufriedenheit mit dem Fundraising- und Exit-Umfeld heizen die Stimmungseuphorie weiter an. Die Kehrseite der Medaille ist das allgemein sehr hohe Bewertungsniveau, das inzwischen auch in frühen Runden aufgerufen wird. Die Skepsis demgegenüber scheint bereits auf die Investitionsbereitschaft der VCs zu schlagen. Die Herausforderung besteht darin, dass die Startups ihre hohen Bewertungen auch langfristig rechtfertigen müssen.“