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Urteil des BVerfG: Mei­len­stein für sozia­le Generationengerechtigkeit

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Der Deut­sche Fami­li­en­ver­band (DFV) und der Fami­li­en­bund der Katho­li­ken (FDK) beto­nen die Bedeu­tung des Kli­ma-Urteils des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts (BVerfG) für die im Gene­ra­tio­nen­ver­trag finan­zier­te Renten‑, Kran­ken- und Pfle­ge­ver­si­che­rung. Die Ver­bän­de hal­ten eine Bei­trags­ent­las­tung von Fami­li­en nicht nur aus Grün­den der gleich­wer­ti­gen Bewer­tung mone­tä­rer und gene­ra­ti­ver Bei­trä­ge, son­dern ins­be­son­de­re mit Blick auf die Gene­ra­tio­nen­ge­rech­tig­keit für erforderlich.

„Das Kli­ma-Urteil des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts setzt neue Maß­stä­be. Belas­tun­gen müs­sen über Gene­ra­tio­nen hin­weg gerecht ver­teilt sein“, sagt Sieg­fried Stres­ing, DFV-Vize­prä­si­dent. „Gene­ra­tio­nen­ge­rech­tig­keit ist nicht auf den Umwelt­schutz beschränkt. Die­se Ent­schei­dung ver­langt eine ana­lo­ge Ant­wort für die seit Jahr­zehn­ten bestehen­de Fami­li­en­blind­heit der Sozialversicherung.“

Ulrich Hoff­mann, Prä­si­dent des Fami­li­en­bunds, erläu­tert: „Eine Sozi­al­ver­si­che­rung, die durch eine struk­tu­rel­le Benach­tei­li­gung von Fami­li­en öko­no­mi­sche Anrei­ze gegen Kin­der setzt und zeit­gleich Fami­li­en in der Erzie­hungs­pha­se drin­gend benö­tig­te Mit­tel ent­zieht, führt zur Über­las­tung der gegen­wär­ti­gen und nächs­ten Gene­ra­ti­on. Der demo­gra­fi­sche Wan­del ver­stärkt die Situa­ti­on. Weni­ger Kin­der müs­sen in Zukunft höhe­re Bei­trä­ge stem­men. Das führt zwangs­läu­fig zur Ein­schrän­kung der per­sön­li­chen Frei­heit. Gegen eine sol­che ein­sei­ti­ge Belas­tung der jun­gen Gene­ra­ti­on wen­det sich das Bundesverfassungsgericht.“

Vor die­sem Hin­ter­grund for­dern der DFV und der Fami­li­en­bund eine Bei­trags­ent­las­tung für Fami­li­en durch einen Kin­der­frei­be­trag ana­log zum Steu­er­recht. Der­zeit kla­gen 2.000 Fami­li­en mit Unter­stüt­zung der bei­den Ver­bän­de auf Gene­ra­tio­nen­ge­rech­tig­keit in der Sozi­al­ver­si­che­rung. Zwei Ver­fas­sungs­be­schwer­den und eine Rich­ter­vor­la­ge lie­gen beim BVerfG. Auf dem Weg nach Karls­ru­he muss­ten die Klä­ger meh­re­re unsäg­li­che Urtei­le von Sozi­al­ge­rich­ten hin­neh­men, die dem weg­wei­sen­den Pfle­ge­ver­si­che­rungs­ur­teil des BVerfG wider­spra­chen oder es gar ins Gegen­teil verkehrten.

Heu­ti­ge Ver­säum­nis­se in der Renten‑, Kran­ken- und Pfle­ge­ver­si­che­rung zer­stö­ren die sozia­len Res­sour­cen der Nach­wuchs­ge­ne­ra­ti­on und damit deren Frei­heits­spiel­räu­me in expo­nen­ti­ell zuneh­men­dem Maße. Beson­ders deut­lich wird dies an der beharr­li­chen Wei­ge­rung des Bun­des­ge­setz­ge­bers, den Auf­trag aus dem Bei­trags­kin­der­ur­teil des BVerfG zur Pfle­ge­ver­si­che­rung (03.04.2001) sach­ge­recht umzu­set­zen. In die­sem hat­ten die Karls­ru­her Rich­ter ent­schie­den, es sei mit dem Grund­ge­setz nicht zu ver­ein­ba­ren, dass Ver­si­cher­te mit Kin­dern einen gleich hohen Bei­trags­satz wie Mit­glie­der ohne Kin­der leis­ten müssen.

„Wenn Rech­te der­zei­ti­ger und künf­ti­ger Gene­ra­tio­nen durch eine unfai­re Las­ten­ver­tei­lung in der gesetz­li­chen Sozi­al­ver­si­che­rung unzu­mut­bar ein­ge­schränkt wer­den, muss das Grund­ge­setz Schran­ken set­zen“, so Hoff­mann. „Die Sozi­al­ver­si­che­rung muss auf die Leis­tungs­fä­hig­keit von Fami­li­en Rück­sicht neh­men. Ein­kom­men, das zur Exis­tenz­si­che­rung des Kin­des benö­tigt wird, darf nicht mit Abga­ben belas­tet werden.“

„Fami­li­en las­sen sich nicht leicht unter­krie­gen. Es wäre nicht das ers­te Mal, dass sich Fami­li­en­ver­bän­de durch die Instan­zen kla­gen, um dann vor dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt weit­rei­chen­de Fami­li­en­ur­tei­le zu erstrei­ten“, sagt Stres­ing und ver­weist auf die Urtei­le zum steu­er­frei­en Exis­tenz­mi­ni­mum (29.05.1990) und das Trüm­mer­frau­en­ur­teil (07.07.1992).

Selbst der obers­te Sozi­al­rich­ter, der Prä­si­dent des Bun­des­so­zi­al­ge­richts Rai­ner Schle­gel, sieht in der Ent­schei­dung eine „epo­cha­le“ Neu­aus­rich­tung des Ver­fas­sungs­rechts mit weit­rei­chen­den Fol­gen – auch für die Zukunft des Sozialstaats.

Stres­ing äußert sich zurück­hal­ten­der: „Das Wesen des Gene­ra­tio­nen­ver­tra­ges bleibt vie­len, auch wegen irre­füh­ren­der öffent­li­cher Dar­stel­lun­gen, ver­bor­gen. Rea­li­tä­ten wer­den geleug­net, Bei­trä­ge aus der Ver­gan­gen­heit wer­den als Sub­stanz der indi­vi­du­el­len Alters­ver­sor­gung betrach­tet. Solan­ge die­ser fun­da­men­ta­le Irr­tum und die dar­aus abge­lei­te­te Anspruchs­hal­tung genährt wer­den, sind kei­ne Ver­än­de­run­gen zu erwarten.“

Hoff­mann fügt hin­zu: „Die Finan­zie­rung der gesetz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung muss die wirt­schaft­li­che Rea­li­tät trans­pa­rent zum Aus­druck brin­gen: Die mone­tä­ren Bei­trä­ge die­nen der Finan­zie­rung der heu­ti­gen Ren­ten, die eige­ne Alters­vor­sor­ge wird aus­schließ­lich durch die Bei­trä­ge der nächs­ten Gene­ra­ti­on gesi­chert. Inves­ti­tio­nen in Kin­der sind eine Inves­ti­ti­on in die Alters­vor­sor­ge von allen.“

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