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Nur vier von zehn Erwerbs­tä­ti­gen bil­den sich weiter

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Human­ka­pi­tal ist die zen­tra­le Res­sour­ce der deut­schen Volks­wirt­schaft und ent­spre­chend wich­tig ist beruf­li­che Wei­ter­bil­dung für den indi­vi­du­el­len Arbeits­markt­er­folg. Beson­ders die Digi­ta­li­sie­rung und die Trans­for­ma­ti­on zu einer kli­ma­neu­tra­len Wirt­schaft stel­len lau­fend neue Anfor­de­run­gen an die beruf­li­chen Fähig­kei­ten. Eine reprä­sen­ta­ti­ve Umfra­ge von KfW Rese­arch zeigt, dass sich im Jahr 2021 40 % der Erwerbs­be­völ­ke­rung beruf­lich wei­ter­ge­bil­det haben. Im Ver­gleich zu einer iden­ti­schen Befra­gung im Jahr 2015 bedeu­tet dies zwar einen Zuwachs von 8 Pro­zent­punk­ten, aller­dings nimmt nach wie vor nicht ein­mal die Hälf­te der Berufs­tä­ti­gen an Wei­ter­bil­dungs­maß­nah­men teil. Die Coro­na-Kri­se hat das Wei­ter­bil­dungs­ge­sche­hen mas­siv gebremst: 29 % der­je­ni­gen, die sich nicht wei­ter­ge­bil­det haben, gaben an, dass dies auf die Coro­na-Kri­se zurück­zu­füh­ren ist. Unter den Teil­neh­mern von Fort­bil­dun­gen haben 41 % aus glei­chem Grund den Umfang ihrer Wei­ter­bil­dung redu­ziert.
 
Die aktu­el­le Befra­gung von KfW Rese­arch zeigt, dass die Teil­nah­me an Wei­ter­bil­dun­gen in Deutsch­land wei­ter stark von sozio-öko­no­mi­schen Fak­to­ren abhän­gig ist. Je höher der Bil­dungs­ab­schluss, des­to reger die Teil­nah­me an wei­te­ren Bil­dungs­maß­nah­men. Uni­ver­si­täts­ab­sol­ven­tin­nen und ‑absol­ven­ten hat­ten im Jahr 2021 eine Wei­ter­bil­dungs­quo­te von 59 %. Die Quo­te ist bei Meis­te­rin­nen und Fach­wir­ten mit 47 % immer noch über­durch­schnitt­lich. Die­je­ni­gen ohne (in Deutsch­land aner­kann­ten) Aus­bil­dungs­ab­schluss haben ledig­lich eine Wei­ter­bil­dungs­quo­te von 29 %. Der Wei­ter­bil­dungs­be­reich trägt somit unter dem Strich nicht dazu bei, Qua­li­fi­ka­ti­ons­rück­stän­de aus vor­he­ri­gen Bil­dungs­pha­sen zu ver­rin­gern. Viel­mehr öff­net sich die Bil­dungs­sche­re im Ver­lauf des Erwerbs­le­bens wei­ter.
 
Neben dem Bil­dungs­ab­schluss beein­flus­sen auch die finan­zi­el­len Ver­hält­nis­se und ein Migra­ti­ons­hin­ter­grund die Wei­ter­bil­dung von Erwerbs­tä­ti­gen: Bei monat­li­chen Haus­halts­net­to­ein­kom­men über 5.000 EUR beträgt die Wei­ter­bil­dungs­quo­te 60 % und sinkt kon­ti­nu­ier­lich auf 26 % bei Ein­kom­men unter 2.000 EUR. Nach Deutsch­land ein­ge­wan­der­te Men­schen und ihre direk­ten Nach­kom­men haben eine unter­durch­schnitt­li­che Wei­ter­bil­dungs­quo­te von 31 %. Hier schei­nen Defi­zi­te bei Zugang, Infor­ma­ti­on und /oder Moti­va­ti­on zur Wei­ter­bil­dung eine Rol­le zu spie­len, eben­so wie sprach­li­che Hür­den.
 
Trotzt der wei­ter unbe­frie­di­gen­den Lage bei Wei­ter­bil­dun­gen sind auch posi­ti­ve Ent­wick­lun­gen zu ver­zeich­nen: Die Coro­na-Kri­se hat die Wei­ter­bil­dungs­land­schaft unver­mit­telt ins digi­ta­le Zeit­al­ter kata­pul­tiert. Wäh­rend 2018 noch acht von zehn Ver­an­stal­tun­gen in Prä­senz statt­ge­fun­den haben, war 2021 jede zwei­te Wei­ter­bil­dungs­maß­nah­me eine rei­ne Online-Ver­an­stal­tung, wei­te­re 25 % fan­den in einem hybri­den For­mat statt. Bei den Lern­in­hal­ten wer­den digi­ta­le The­men immer wich­ti­ger. Rund 53 % aller Wei­ter­bil­dun­gen hat­ten IT-Wis­sen, Com­pu­ter­kennt­nis­se, den Umgang mit digi­ta­len Medi­en und ähn­li­ches zum Inhalt – ein Anstieg um 5 Pro­zent­punk­te im Ver­gleich zu 2015. Damit sind Digi­tal­kom­pe­ten­zen mitt­ler­wei­le der zweit­häu­figs­te Wei­ter­bil­dungs­in­halt. Zen­tra­les The­ma von Wei­ter­bil­dun­gen blei­ben fach­li­che Inhal­te des Berufs, die in 91 % der Qua­li­fi­ka­ti­ons­maß­nah­men ver­mit­telt wer­den.
 
Blickt man auf die Grün­de, wes­halb sich Erwerbs­tä­ti­ge nicht wei­ter­bil­den, so wird Zeit­man­gel mit 37 % am häu­figs­ten genannt. Dane­ben spie­len zu hohe Kos­ten, feh­len­de Prä­sen­z­an­ge­bo­te, unzu­rei­chen­de digi­ta­le Infra­struk­tur und man­geln­de Unter­stüt­zung des Arbeit­ge­bers eine Rol­le. Par­al­lel bleibt auch die Qua­li­tät des Wei­ter­bil­dungs­an­ge­bots aus­bau­fä­hig. Der Wei­ter­bil­dungs­sek­tor ist frag­men­tiert, unüber­sicht­lich und trotz Ver­bes­se­run­gen nicht aus­rei­chend digi­ta­li­siert. Min­dest­stan­dards zur Zer­ti­fi­zie­rung von Bil­dungs­an­bie­tern und ‑maß­nah­men, Refe­renz­rah­men zur Vali­die­rung von Inhalt und Niveau sowie eine stär­ke­re Ein­bin­dung von Hoch- und Berufs­schu­len könn­ten die Qua­li­tät von Wei­ter­bil­dun­gen erheb­lich ver­bes­sern.
 
„In Deutsch­land bil­den sich nur vier von zehn Erwerbs­tä­ti­gen fort — das sind immer noch zu weni­ge. Zudem ist die Teil­nah­me an Wei­ter­bil­dung zuguns­ten der bereits bes­ser aus­ge­bil­de­ten ver­zerrt. Eine sys­te­ma­ti­sche und gute Wei­ter­bil­dung in der Brei­te der Bevöl­ke­rung ist ange­sichts der neu­en Anfor­de­rungs­pro­fi­le durch die grü­ne und digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on vor allem auch vor dem Hin­ter­grund des demo­gra­fi­schen Wan­dels uner­läss­lich.“, sagt Dr. Frit­zi Köh­ler-Geib, Chef­volks­wir­tin der KfW. „Hier­für muss aus mei­ner Sicht an drei Stell­schrau­ben gedreht wer­den: Schaf­fung von Frei­raum für Wei­ter­bil­dung durch bes­se­re Betreu­ungs­mög­lich­kei­ten in Ein­rich­tun­gen und im Haus­halt sowie effek­ti­ve digi­ta­le Lern­an­ge­bo­te, eine erwei­ter­te finan­zi­el­le För­de­rung, und eine höhe­re Qua­li­tät des Wei­ter­bil­dungs­an­ge­bots durch Stan­dard­set­zung und die ver­stärk­te Ein­bin­dung von Hoch- und Berufsschulen.“

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