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Kin­dern respekt­vol­les Mit­ein­an­der vermitteln

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Schul­so­zi­al­ar­beit in den Grund­schu­len wird suk­zes­si­ve bis zum Schul­jahr 2024/25 aus­ge­wei­tet / Work­shop zum Basis­pro­gramm „Sozia­les Ler­nen“: „Wir pro­fi­tie­ren von den Erfah­run­gen der Anderen“

Eine Aus­sa­ge ist an die­sem Mor­gen im Allee­saal in Bad Schwal­bach immer wie­der zu ver­neh­men: „Wir benö­ti­gen Schul­so­zi­al­ar­beit bereits in Grund­schu­len, um die Basis für ein ver­trau­ens­vol­les und kon­struk­ti­ves Mit­ein­an­der zwi­schen Schü­lern, Leh­rern, Eltern und den Mit­ar­bei­ten­den der Schul­so­zi­al­ar­beit auf­zu­bau­en und zu ver­an­kern sowie um sozia­le Kom­pe­tenz und Regeln des Mit­ein­an­ders schon bei den jüngs­ten Schü­le­rin­nen und Schü­lern spie­le­risch ein­zu­üben“, betont etwa Patrick Schmidt, der in der Theiß­tal­schu­le in Nie­dern­hau­sen bereits seit eini­gen Jah­ren für die Schul­so­zi­al­ar­beit – zunächst für die Sekun­dar­stu­fe I und nun auch für die Grund­schu­le – tätig ist.

„Der Über­gang vom Kin­der­gar­ten in die Grund­schu­le ist ein kom­ple­xer Pro­zess mit vie­len neu­en Ein­drü­cken für die Kin­der, die sie erst ein­mal ver­ar­bei­ten müs­sen“, ergänzt Anja Schu­bert, im Fach­dienst Jugend­hil­fe der Kreis­ver­wal­tung für die Koor­di­na­ti­on der Schul­so­zi­al­ar­beit im Kreis­ge­biet zustän­dig. In die­ser Pha­se der Neu­ori­en­tie­rung will die Schul­so­zi­al­ar­beit den Kin­dern und ihren Fami­li­en Hil­fe­stel­lun­gen leis­ten und unter­stützt damit in mul­ti­pro­fes­sio­nel­ler Zusam­men­ar­beit auch Lehr­kräf­te, Schul­lei­tung und ande­re an der Schu­le täti­gen Fachkräfte.

Im Allee­saal tref­fen sich an die­sem Mor­gen die bei­den Koor­di­na­to­rin­nen der Schul­so­zi­al­ar­beit – neben Anja Schu­bert noch Chris­ti­na Sau­se – mit allen Schul­so­zi­al­ar­bei­te­rin­nen und –arbei­tern der Grund­schu­len zu einem inten­si­ven Erfah­rungs- und Mei­nungs­aus­tausch. Bereits seit 2003 gibt es Schul­so­zi­al­ar­beit im Rhein­gau-Tau­nus-Kreis. „Die Schul­so­zi­al­ar­beit ist ein nied­rig­schwel­li­ges Ange­bot der Jugend­hil­fe an dem Ort, an dem Kin­der sich (fast) täg­lich auf­hal­ten – an der Schu­le“, berich­tet Anja Schu­bert. Bereit­ge­stellt wird sie im Auf­trag des Rhein­gau-Tau­nus-Krei­ses von frei­en Trä­gern der Jugend­hil­fe, der­zeit sind dies ASB, AWO, JJ, Hephata, VHS und VIE.

Zunächst wur­den die wei­ter­füh­ren­den Schu­len im Kreis­ge­biet mit Schul­so­zi­al­ar­bei­te­rin­nen und –arbei­tern aus­ge­stat­tet. Seit 2018 befin­det sich die Schul­so­zi­al­ar­beit an Grund­schu­len im Auf­bau. Los ging es in einem Modell­pro­jekt mit der Astrid-Lind­gren-Schu­le und der Wis­per­schu­le. Zum Schul­jahr 2024/25 soll das Ange­bot dann an allen Grund­schu­len im Kreis ein­ge­rich­tet sein. Im Novem­ber 2021 kamen in Tau­nus­stein die Silberbach‑, die Son­nen­schu­le, und die Grund­schu­le der IGS Obe­re Aar sowie im Rhein­gau die Pfingst­bach- die John-Sut­ton- und die Eme­ly-Sal­zig-Schu­le hin­zu. Pro Schu­le steht min­des­tens eine hal­be Stel­le zur Ver­fü­gung, die den Schü­le­rin­nen und Schü­lern, ihren Fami­li­en und auch den Lehr­kräf­ten als ver­läss­li­che Ansprech­per­son für indi­vi­du­el­le Pro­blem­la­gen ver­traut ist und außer­halb des Bewer­tungs­sys­tems der Schu­le ange­sie­delt ist.

„Die Erfah­run­gen zei­gen, dass Schul­so­zi­al­ar­beit nicht nur Kin­dern und Eltern unmit­tel­bar hilft, son­dern sich auch ins­ge­samt posi­tiv auf das sozia­le Kli­ma an der Schu­le aus­wirkt“, sagt Anja Schu­bert. Wich­ti­ge Vor­aus­set­zung dafür ist, eine Sozi­al­kom­pe­tenz kind­ge­recht und kon­ti­nu­ier­lich über das gesam­te Schul­jahr zu ver­mit­teln, um eine Atmo­sphä­re der Gemein­schaft und des Zusam­men­hal­tes in der Klas­se ent­ste­hen zu las­sen. Mit dem Basis­pro­gramm zum „sozia­len Ler­nen“ erreicht die Schul­so­zi­al­ar­beit alle Kin­der ab der ers­ten Klas­se und wird dadurch zum ver­trau­ten Ansprech­part­ner auch im Einzelfall.

Schließ­lich gibt es nicht mehr das ein­heit­li­che Bild von dem (Schul)-Kind. „In den Klas­sen sit­zen oft­mals 25 Ein­zel­in­di­vi­du­en mit ganz unter­schied­li­chen Bio­gra­fien und Cha­rak­te­ren, auf die eine ein­zi­ge Lehr­kraft ein­ge­hen soll“, erläu­ter­te eine Schul­lei­te­rin bei der Ein­füh­rung des Modell­pro­jek­tes 2018. Da bedarf es einer geeig­ne­ten Kom­mu­ni­ka­ti­on, eines ent­spre­chen­den, kind­ge­rech­ten Ein­füh­lungs­ver­mö­gens und einer spie­le­ri­schen Ein­übung „von Unter­richts- und Wohl­fühl­re­geln“, wie es Patrick Schmidt nennt. „Zuhö­ren, Rück­sicht neh­men, aus­re­den las­sen, eige­ne Gefüh­le wahr­neh­men und ange­mes­sen äußern, Respekt für mei­nen Gegen­über zei­gen – das sind Vor­aus­set­zun­gen für ein kon­flikt­frei­es Mit­ein­an­der“, beschreibt er die Situation.

„Geht in die Klas­sen! Sprecht mit den Lehr­kräf­ten! Sorgt für einen Aus­tausch zwi­schen allen Betei­lig­ten, um Miss­ver­ständ­nis­sen vor­zu­beu­gen! Wir sind min­des­tens eine Stun­de in der Woche im Unter­richt zuge­gen. So ent­ste­hen Kon­tak­te, wird Ver­trau­en auf­ge­baut, damit die Kin­der, wenn sie Ängs­te oder Pro­ble­me haben, zu uns kom­men kön­nen“, rät der erfah­re­ne Schul­so­zi­al­ar­bei­ter den neu­en Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen. Denn nicht in allen Klas­sen gestal­tet sich das Zusam­men­le­ben kon­flikt­frei. „Kon­flik­te soll­ten früh­zei­tig erkannt wer­den und mit geeig­ne­ten Mit­teln begeg­net wer­den“, raten Kris­tin Schulz, Lin­da Duschath und Jill Jegutz­ki, die sich im Work­shop mit dem The­ma „Kon­flikt“ aus­ein­an­der­ge­setzt haben. „Die Kin­der sol­len ler­nen, ihre Gefüh­le wahr­zu­neh­men und zu äußern, aber auch Gren­zen zu erken­nen und akzep­tie­ren zu lernen.“

Eine Idee der Arbeits­grup­pe „ICH und WIR“, bestehend aus Sabi­ne Wer­ner, Anni­ka Hoff­mann, Manue­la Heger, Ange­li­ka Häu­ser und Ste­fa­nie Schwank war ein Klas­sen­puz­zle mit indi­vi­du­ell von jedem Kind gestal­te­ten Tei­len, um „ein Ich-und-Wir-Gefühl im Klas­sen­ver­band – schon in den ers­ten Wochen – auf­kom­men zu las­sen. Wich­tig sei auch die „stil­len Kin­der“ in der Klas­se zu erken­nen, die sich zurück­zie­hen, nicht durch lau­tes Auf­tre­ten auf sich auf­merk­sam machen: „Es gilt die­se Schü­le­rin­nen und Schü­ler mit ein­zu­bin­den und ihnen die Chan­ce zu bie­ten, sich in die Klas­se einzubringen!“

Das abschlie­ßen­de Fazit der Teil­neh­men­den fiel dann auch durch­weg posi­tiv aus. „Wir kön­nen von dem Bespro­che­nen viel mit in den Schul­all­tag neh­men“, so Kris­tin Schulz. „Wir pro­fi­tie­ren von den Erfah­run­gen der ande­ren“, ergänzt Danie­la Brunn­wer-Der­stroff. Aus­sa­gen, die Land­rat Frank Kili­an mit Wohl­wol­len auf­nahm. Die Erwei­te­rung der Schul­so­zi­al­ar­beit auf den Grund­schul­be­reich nann­te er wich­tig. Weil es bereits in den Grund­schu­len „extre­me Indi­vi­dua­lis­ten“ unter den Sechs- bis Zehn­jäh­ri­gen gebe, vie­le die Kon­flik­te aus­schließ­lich mit Gewalt lösen, bedarf es der pro­fes­sio­nel­len Unter­stüt­zung durch die Sozi­al­päd­ago­gin­nen und –päd­ago­gen der Schul­so­zi­al­ar­beit. Kili­an: „Sie leis­ten eine wich­ti­ge Auf­ga­be, um sozia­le Kom­pe­tenz schon in unse­ren Grund­schu­len zu ver­mit­teln. Ihre Leis­tun­gen für einen sozia­len Frie­den wer­den von den Schul­ge­mein­den aus­nahms­los aner­kannt und gewürdigt.“

Elek­tro Lind
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