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Fach­kräf­te­man­gel nimmt trotz Pan­de­mie und Ukrai­ne-Krieg wei­ter leicht zu

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Trotz kri­sen- und kriegs­be­dingt unsi­che­rer Wirt­schafts­aus­sich­ten nimmt der Fach­kräf­te­man­gel in Deutsch­land wei­ter leicht zu: Im April 2022 gaben 44 % der Unter­neh­men im KfW-ifo-Fach­kräf­te­ba­ro­me­ter an, durch feh­len­de Fach­kräf­te in ihrer Geschäfts­tä­tig­keit behin­dert zu sein (Okto­ber 2021: 43 %). Damit erreicht der Fach­kräf­te­man­gel einen neu­en bis­he­ri­gen Höhe­punkt. Ins­ge­samt sind gro­ße Unter­neh­men mit 45 % etwas häu­fi­ger betrof­fen als klei­ne und mitt­le­re (43 %).
 
Im Früh­jahr 2022 mel­de­ten alle Wirt­schafts­zwei­ge eine gegen­über der letz­ten Befra­gung im Herbst 2021 gestie­ge­ne Betrof­fen­heit: Spit­zen­rei­ter bleibt der Dienst­leis­tungs­sek­tor, in dem aktu­ell jedes zwei­te Unter­neh­men über feh­len­des Fach­per­so­nal klagt (48 % im April 2021 ggü. 44 % im Okto­ber 2021). Das Ver­ar­bei­ten­de Gewer­be erreicht mit 40 % (36 %) den höchs­ten Anteil betrof­fe­ner Fir­men seit 30 Jah­ren. Im Bau man­gelt es in 36 % (33 %) der Unter­neh­men an Fach­kräf­ten, wäh­rend es im Han­del bei 34 % (33 %) der Fall ist.
 
Der neue Rekord­wert beim Fach­kräf­te­man­gel geht ein­her mit dem im April durch die Bun­des­agen­tur für Arbeit gemel­de­ten Höchst­wert offe­ner Stel­len in Deutsch­land seit der Wie­der­ver­ei­ni­gung. Den Unter­neh­men man­gelt es trotz der sich kumu­lie­ren­den Kri­sen nicht an Nach­fra­ge. Die Auf­trags­bü­cher sind prall gefüllt. Zahl­rei­che Fir­men stel­len daher wei­ter ein, auch wenn die inter­na­tio­na­len Lie­fer­eng­päs­sen bei Roh­stof­fen und Vor­pro­duk­ten, die star­ken Ener­gie- und Mate­ri­al­preis­stei­ge­run­gen und die Fol­gen des Kriegs in der Ukrai­ne die wirt­schaft­li­chen Aus­sich­ten belas­ten. In einem Sze­na­rio ohne abrup­te Unter­bre­chung der Ener­gie­ver­sor­gung ist jedoch davon aus­zu­ge­hen, dass sich die Erho­lung der deut­schen Wirt­schaft im wei­te­ren Jah­res­ver­lauf fort­set­zen wird, wenn auch mit deut­lich gedämpf­tem Schwung. Gleich­zei­tig ist der demo­gra­fi­sche Wan­del in Deutsch­land bereits in vol­lem Gang und trifft den Arbeits­markt mit wach­sen­der Wucht: Die Erwerbs­be­völ­ke­rung wird zwi­schen 2025 und 2035 beschleu­nigt schrump­fen, um ca. 500.000 Per­so­nen (ca. 1 %) pro Jahr.
 
„Die Zah­len vom Arbeits­markt und die des KfW-ifo-Fach­kräf­te­ba­ro­me­ters machen deut­lich: Es wäre ein Feh­ler, bei Eng­päs­sen, die den Auf­schwung behin­dern, nur an Roh­stof­fe und Vor­leis­tun­gen aus dem Aus­land zu den­ken. Auch der Fach­kräf­te­man­gel hat erheb­li­che Aus­wir­kun­gen – die vor allem auf län­ge­re Sicht ver­mut­lich noch gra­vie­ren­der sein wer­den“, sagt Dr. Frit­zi Köh­ler-Geib, Chef­volks­wir­tin der KfW Ban­ken­grup­pe. Ohne Gegen­steu­ern beein­träch­ti­ge der Fach­kräf­te­man­gel das Wachs­tums­po­ten­zi­al der deut­schen Wirt­schaft bereits bis zur Mit­te die­ses Jahr­zehnts erheb­lich. „Für die Ein­däm­mung steht die Uhr bereits auf fünf nach zwölf — denn die Her­aus­for­de­run­gen sind wesent­lich grö­ßer gewor­den: Die beschleu­nig­te Ener­gie- und Ver­kehrs­wen­de, der Nach­hol­be­darf bei der Digi­ta­li­sie­rung, der stei­gen­de Arbeits­kräf­te­be­darf im Gesund­heits- und Pfle­ge­sek­tor sowie in den Berei­chen Kin­der­be­treu­ung und Bil­dung, die Woh­nungs­knapp­heit in Bal­lungs­re­gio­nen, der hohe Inves­ti­ti­ons­be­darf in der öffent­li­chen Infra­struk­tur und die stei­gen­de Zahl der mit­zu­ver­sor­gen­den Ruhe­ständ­ler schaf­fen neue Nach­fra­ge nach Arbeits­kräf­ten. Ein Nach­bes­sern bei der deut­schen Stra­te­gie zur Fach­kräf­te­si­che­rung und ihre kon­se­quen­te Umset­zung ist daher unmit­tel­bar gebo­ten, um die Her­aus­for­de­run­gen zu bewäl­ti­gen“, so Köh­ler-Geib. „Dazu gehört die noch stär­ke­re Aus­schöp­fung des Arbeits­kräf­te­po­ten­ti­als in Deutsch­land und die wei­te­re Öff­nung des Arbeits­markts für Zuwan­de­rung, v.a. auch für nicht-aka­de­mi­sche Fach­kräf­te, beglei­tet von inten­si­ver Sprach­för­de­rung und der ver­ein­fach­ten Aner­ken­nung aus­län­di­scher Berufs­ab­schlüs­se.“
 
Wie eine neue reprä­sen­ta­ti­ve Befra­gung von KfW Rese­arch zeigt, sieht die Bevöl­ke­rung den Bedarf einer akti­ven Ein­wan­de­rungs­po­li­tik sehr deut­lich: 83 % der 18- bis 67-Jäh­ri­gen sind für min­des­tens gleich­blei­ben­de Bemü­hun­gen um aus­län­di­sche Fach­kräf­te, dar­un­ter 48 % für grö­ße­res Enga­ge­ment (reprä­sen­ta­ti­ve Befra­gung unter 6.000 Per­so­nen im Erwerbs­al­ter wäh­rend des 2. Halb­jahrs 2021). Nur 15 % spre­chen sich für gerin­ge­re Fach­kräf­te­zu­wan­de­rung aus. Im Ver­gleich zu einer iden­ti­schen Befra­gung vor drei Jah­ren ist die migra­ti­ons­po­li­ti­sche Hal­tung offe­ner gewor­den (2. Halb­jahr 2018: 44 % für mehr, 30 % für gleich­blei­ben­de, 21 % für weni­ger Fach­kräf­te­zu­wan­de­rung).
 
Die Ein­stel­lung zur Zuwan­de­rung unter­schei­det sich deut­lich nach der beruf­li­chen Bil­dung, dem Ein­kom­men und dem Arbeits­markt­sta­tus. Aka­de­mi­ker, Gut­ver­die­ner und Beam­te sind bspw. mit sehr deut­li­chen Mehr­hei­ten von ca. 60 % für mehr Fach­kräf­te­zu­wan­de­rung, wäh­rend die Gegen­po­si­ti­on mit weni­ger als 10 % sehr sel­ten ist. Bei nied­ri­ge­ren Berufs­ab­schlüs­sen und Ein­kom­men bzw. Arbeits­lo­sig­keit ver­schiebt sich das Stim­mungs­bild deut­lich, ohne jedoch zu kip­pen. In der arbeits­lo­sen Bevöl­ke­rung sind z. B. 35 % für ver­stärk­te Fach­kräf­te­zu­wan­de­rung, wäh­rend 25 % die Gegen­po­si­ti­on ver­tre­ten. Ins­ge­samt dürf­ten Befürch­tun­gen um Arbeits­markt­kon­kur­renz eine Rol­le spielen.

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