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Ukrai­ne-Krieg ver­schärft Lieferengpässe

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Erho­lung des mit­tel­stän­di­schen Aus­lands­ge­schäfts gefährdet

Der Angriffs­krieg Russ­lands auf die Ukrai­ne und die in Reak­ti­on dar­auf ver­häng­ten Sank­tio­nen füh­ren zu neu­en Stö­run­gen in den glo­ba­len Lie­fer­ket­ten – die durch die Coro­na-Pan­de­mie ohne­hin schon unter hohem Druck ste­hen. Auch im deut­schen Mit­tel­stand blei­ben die Belas­tun­gen hier­durch hoch, wie der neue KfW-Inter­na­tio­na­li­sie­rungs­be­richt zeigt. Zwar ist der Anteil der von Mate­ri­al­knapp­heit betrof­fe­nen klei­nen und mitt­le­ren Unter­neh­men von 48 % im ver­gan­ge­nen Sep­tem­ber auf 42 % im März die­ses Jah­res gesun­ken. Dies ist jedoch allein auf den Dienst­leis­tungs­sek­tor zurück­zu­füh­ren, der wesent­lich weni­ger stark von Vor­leis­tun­gen abhängt als die ande­ren Wirt­schafts­zwei­ge. Im Ver­ar­bei­ten­den Gewer­be und im Bau liegt der Anteil der von Lie­fer­eng­päs­sen betrof­fe­nen Unter­neh­men wei­ter­hin bei 78 %, im Groß- und Ein­zel­han­del ist der Anteil seit dem Herbst sogar um 5 Pro­zent­punk­te auf 68 % gestie­gen.
 
Ins­ge­samt bezie­hen 29 % aller 3,8 Mil­lio­nen Mit­tel­ständ­ler in Deutsch­land Roh­stof­fe, Vor­pro­duk­te oder Dienst­leis­tun­gen aus dem Aus­land. Sie sind von den Stö­run­gen in den glo­ba­len Wert­schöp­fungs­ket­ten beson­ders betrof­fen. Schaut man nur auf die­se Unter­neh­men, so haben acht von zehn mit Lie­fer­eng­päs­sen zu kämp­fen. Noch mehr als Unter­neh­men, die aus ande­ren euro­päi­schen Län­dern impor­tie­ren, trifft es dabei Mit­tel­ständ­ler, die Vor­leis­tun­gen aus dem Ver­ei­nig­ten König­reich, Chi­na oder Russ­land bezie­hen. Von ihnen lei­den rund 90 % unter Mate­ri­al­knapp­heit. Aller­dings ist der Anteil der Unter­neh­men, die über­haupt Roh­stof­fe, Vor­pro­duk­te oder Dienst­leis­tun­gen aus die­sen Län­dern impor­tie­ren, recht nied­rig. Nur 11 % der Mit­tel­ständ­ler bezie­hen Vor­leis­tun­gen aus Chi­na. Der Anteil der von bri­ti­schen oder rus­si­schen Roh­stof­fen, Vor­pro­duk­ten oder Dienst­leis­tun­gen abhän­gi­gen Unter­neh­men ist mit jeweils 3 % noch gerin­ger.
 
Eine der häu­figs­ten Fol­ge der Mate­ri­al­knapp­heit sind Preis­an­pas­sun­gen: Jedes vier­te mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men hat zuletzt sei­ne Prei­se erhöht. Neben den Ener­gie­prei­sen blei­ben Lie­fer­eng­päs­sen damit ein wesent­li­cher Infla­ti­ons­trei­ber. Wei­te­re Aus­wir­kun­gen der gestör­ten Lie­fer­ket­ten sind erhöh­ter Beschaf­fungs­auf­wand (23 %), Beein­träch­ti­gung der Pro­duk­ti­on (22 %), Nicht­ein­hal­tung von Lie­fer­ter­mi­nen (21 %), Auf­bau von Lager­be­stän­den (11 %) und Ableh­nung von Auf­trä­gen (9 %). Nega­ti­ve Beschäf­ti­gungs­wir­kun­gen blei­ben dage­gen wei­ter begrenzt (3 %) und kon­zen­trie­ren sich auf den Bau und das Ver­ar­bei­ten­de Gewer­be.
 
Lie­fer­ket­ten­stö­run­gen und die Aus­wir­kun­gen der Coro­na-Pan­de­mie haben sich in den ver­gan­ge­nen zwei Jah­ren auch im deut­schen Außen­han­del und damit in den mit­tel­stän­di­schen Aus­lands­um­sät­zen nie­der­ge­schla­gen. Im Jahr 2020 sind sie im Ver­gleich zum Vor­jahr um 63 Mrd. EUR oder rund 11 % ein­ge­bro­chen. Der Rück­gang fiel damit zwar etwas weni­ger dras­tisch aus als erwar­tet. Mit 533 Mrd. EUR erreich­ten die mit­tel­stän­di­schen Aus­lands­um­sät­ze im ers­ten Jahr der Coro­na-Pan­de­mie den­noch das tiefs­te Niveau seit mehr als zehn Jah­ren. Im Jahr 2020 ist das Ver­ar­bei­ten­de Gewer­be als Trei­ber mit­tel­stän­di­scher Expor­te aus­ge­fal­len (-12 % auf 229 Mrd. EUR). Noch mas­si­ver aber waren die Ein­brü­che im Dienst­leis­tungs­sek­tor (-21 % auf 152 Mrd. EUR), wo vor allem die Umsät­ze der Tou­ris­mus- und Rei­se­bran­che ein­bra­chen. Die Anpas­sung ist dabei vor allem über die durch­schnitt­li­chen Aus­lands­um­sät­ze der Aus­lands­ak­ti­ven erfolgt. Die­se sind stark gesun­ken, wäh­rend der Anteil der Aus­lands­ak­ti­ven an allen Mit­tel­ständ­lern mit rund 21 % ins­ge­samt sta­bil geblie­ben ist.
 
„Im Jahr 2021 dürf­te sich auch im Mit­tel­stand das Aus­lands­ge­schäft wie­der etwas erholt haben. Auf Basis unse­rer Befra­gun­gen erwar­ten wir einen Anstieg um gut 6 % auf 566 Mrd. EUR. Damit bewe­gen wir uns wei­ter unter dem Vor­kri­sen­ni­veau“, sagt Dr. Frit­zi Köh­ler-Geib, Chef­volks­wir­tin der KfW. Die Ent­wick­lung des Aus­lands­ge­schäfts klei­ner und mitt­le­rer Unter­neh­men im lau­fen­den Jahr 2022 ist nur schwer abzu­schät­zen. Es gibt eine hohe Unsi­cher­heit dar­über, wie lan­ge die Stö­run­gen in den glo­ba­len Lie­fer­ket­ten noch anhal­ten wer­den. Auch der Angriffs­krieg Russ­lands auf die Ukrai­ne und die in Reak­ti­on dar­auf ver­häng­ten Sank­tio­nen ber­gen Risi­ken. „Zwar expor­tie­ren kaum mehr als 2 % der deut­schen Mit­tel­ständ­ler nach Russ­land und noch weni­ger in die Ukrai­ne. Ein star­ker Wirt­schafts­ab­schwung in Euro­pa wür­de die Aus­lands­nach­fra­ge jedoch merk­lich beein­flus­sen. Unwäg­bar­kei­ten blei­ben auch mit Blick auf die Coro­na-Pan­de­mie. Für die aus­lands­ori­en­tier­ten klei­nen und mitt­le­ren Unter­neh­men in Deutsch­land dürf­te somit auch das Jahr 2022 her­aus­for­dernd sein. Aber es bie­ten sich auch neue Wachs­tums­chan­cen – bei­spiels­wei­se im Bereich der Umwelt- und Kli­ma­schutz­tech­no­lo­gien. Hier ver­fü­gen deut­sche Unter­neh­men im glo­ba­len Wett­be­werb über eine gute Aus­gangs­po­si­ti­on.“ so Köh­ler-Geib. „Unter­neh­men wie Poli­tik wer­den sich auf ein ver­än­der­tes außen­wirt­schaft­li­ches Umfeld ein­stel­len müs­sen. Neben der Effi­zi­enz dürf­te künf­tig etwa auch der Resi­li­enz von Lie­fer­ket­ten ein hoher Stel­len­wert zukommen.“

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