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Mit­tel­stands- und Wirt­schafts­uni­on Hes­sen besorgt über die Fol­gen eines mög­li­chen Erdgas-Embargos

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Die Mit­tel­stands- und Wirt­schafts­uni­on Hes­sen ver­ur­teilt den Angriffs­krieg Russ­lands auf die Ukrai­ne und die Schre­ckens­ta­ten von But­scha und ande­ren Orten auf das Schärfs­te. Die Ver­ant­wort­li­chen in Russ­land müs­sen zur Ver­ant­wor­tung gezo­gen werden!

Daher unter­stützt die MIT Hes­sen aus­drück­lich Waf­fen­lie­fe­run­gen an die Ukrai­ne und for­dert deren schnel­le und umfäng­li­che Aus­wei­tung. Auch sämt­li­che Finanz- und Ener­gie­sank­tio­nen für Koh­le und Roh­öl­pro­duk­te sehen wir als not­wen­dig und unum­gäng­lich an.

Im Hin­blick auf Sank­tio­nen gegen Erd­gas-Lie­fe­run­gen sehen sich vie­le unse­rer Mit­glie­der mit einem schwer zu lösen­den Dilem­ma kon­fron­tiert: Jeder will hel­fen, Men­schen­le­ben in der Ukrai­ne zu ret­ten und das unfass­ba­re Leid zu been­den. Gleich­zei­tig befürch­ten vie­le einen wirt­schaft­li­chen Total­scha­den für das eige­ne Unter­neh­men und die gesam­te deut­sche Wirt­schaft, mit unab­seh­ba­ren Kon­se­quen­zen für die Zukunft der Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter und die künf­ti­ge finan­zi­el­le Leis­tungs­fä­hig­keit Deutsch­lands. Nur ein wirt­schaft­lich star­kes Deutsch­land, kann auch star­ke huma­ni­tä­re, finan­zi­el­le und mili­tä­ri­sche Hil­fe leisten.

Die Ver­un­si­che­rung ist auch nach Tagen der Debat­te über das The­ma im Mit­tel­stand wei­ter­hin sehr groß, weil es an Klar­heit und Füh­rung fehlt. Statt öko­no­mi­sche Berech­nun­gen der Embar­go-Kon­se­quen­zen als “unver­ant­wort­lich” zu beschimp­fen, soll­te der Bun­des­kanz­ler end­lich selbst glas­kla­re und maxi­mal belast­ba­re Aus­sa­gen zu der öko­no­mi­schen Trag­wei­te  eines mög­li­chen Gas­em­bar­gos  für Deutsch­land erar­bei­ten lassen.

Aus Sicht der MIT Hes­sen muss die Bun­des­re­gie­rung außer­dem alles dar­an­set­zen, mit­tel­fris­tig eine Unab­hän­gig­keit von Ener­gie­im­por­ten aus Russ­land zu rea­li­sie­ren. Kurz­fris­tig gilt es nun als Bun­des­re­pu­blik vor­han­de­ne Bezugs­we­ge wie die nur zu 27% aus­ge­las­te­ten und an das deut­sche Gas­netz ange­bun­de­nen LNG Ter­mi­nals in Frank­reich, Bel­gi­en und den Nie­der­lan­den stär­ker zu nut­zen. Aus Sicht der MIT Hes­sen ist hier die euro­päi­sche Soli­da­ri­tät gefor­dert. Die EU als Wer­te- und Wirt­schafts­ge­mein­schaft soll­te ver­su­chen, eine Ener­gie­soli­da­ri­tät der EU-Mit­glied­staa­ten unter­ein­an­der zu schaf­fen, sodass die vor­han­de­nen Gas­spei­cher allen Län­dern im wirt­schaft­li­chen Kampf gegen den rus­si­schen Aggres­sor zur Ver­fü­gung stehen.

Befürch­tun­gen aus unse­ren Unter­neh­men in Hessen:

Mario Beck, Geschäfts­füh­rer der Süwag-Grup­pe: „Die Süwag-Grup­pe ver­sorgt mit rund 1.800 Mit­ar­bei­tern rund 38 850.000 Pri­vat- und ca. 50.000 Geschäfts­kun­den mit Strom, Gas und ener­gie­na­hen Dienst­leis­tun­gen. Wir neh­men unse­ren Ver­sor­gungs­auf­trag sehr Ernst und bera­ten daher täg­lich die aktu­el­le Lage. Das Ziel, schnellst­mög­lich unab­hän­gig von rus­si­schen Ener­gie-Impor­ten zu wer­den, ist mit­tel­fris­tig abso­lut rich­tig. Wenn man sich die Import­sta­tis­ti­ken von Jan.-März 2022 ansieht und mit 2021 ver­gleicht, wird deut­lich, dass an die­sem Ziel bereits gear­bei­tet wird. Ein kurz­fris­ti­ges Gas­em­bar­go hät­te jedoch mas­si­ve Fol­gen für unse­re Kun­den, die indus­tri­el­le Wert­schöp­fung erbrin­gen, und wür­de in der Ener­gie­bran­che zu mas­si­ven wirt­schaft­li­chen Risi­ken führen.“

Jörg Dre­ger, Geschäfts­füh­rer der in der Sicher­heits­bran­che täti­gen Dre­ger Group: „Wir sind dezen­tral orga­ni­siert und haben ein Team mit sehr spe­zi­el­len Fähig­kei­ten in unter­schied­li­chen sicher­heits­re­le­van­ten Hand­lungs­fel­dern, von Cyber Defen­se, über Peri­me­ter­schutz und Open Source Intel­li­gence, bis zu Hard­ware Kom­po­nen­ten und mobi­ler Ener­gie­ver­sor­gung für Zivil­schutz oder zur Vor­sor­ge im Hin­blick auf Black­out Sze­na­ri­en. Des Wei­te­ren haben wir zwei Unter­neh­mens­be­tei­li­gun­gen mit einem Part­ner­netz­werk, das uns einen rela­tiv brei­ten Ein­blick in die kom­men­den Ent­wick­lun­gen gibt. Wir gehen davon aus, dass unse­re Kun­den und Lie­fe­ran­ten stark von Eng­päs­sen und den aktu­el­len wirt­schafts- und sicher­heits­po­li­ti­schen Ent­wick­lun­gen betrof­fen sein wer­den. Alles wird noch mehr ins Sto­cken gera­ten und teu­rer, als auch anspruchs­vol­ler wer­den. Lie­fer­eng­päs­se, die wir bis Mit­te 2021 nicht kann­ten, lie­gen aktu­ell bei 3–6 Mona­ten und wer­den sich noch erheb­lich erwei­tern. Ein zusätz­li­ches Gas-Embar­go ist unab­schätz­bar in sei­nen Fol­gen und wäre qua­si eine irra­tio­na­le Reak­ti­on zur vor­sätz­li­chen Selbstzerstörung!“

Juli­us Wag­ner, Haupt­ge­schäfts­füh­rer des DEHOGA Hes­sen: „ Der DEHOGA Hes­sen ver­tritt das hes­si­sche Gast­ge­wer­be mit über 18.500 Unter­neh­men (Hotels, Gast­hö­fe und Pen­sio­nen, Feri­en­un­ter­künf­te und ähn­li­che Beher­ber­gungs­stät­ten, Cam­ping­plät­ze, sons­ti­ge Beher­ber­gungs­stät­ten, Restau­rants, Gast­stät­ten, Imbiss­stu­ben, Cafés, Eis­sa­lons u.Ä., Cate­rer und Erbrin­gung sonst. Ver­pfle­gungs­dienst­leis­tun­gen, Aus­schank von Geträn­ken). Die­se beschäf­tig­ten im Jahr 2019 rund 206.300 Mitarbeiter.

Gemäß der aktu­el­len Ver­sor­gungs­la­ge und der Aus­ru­fung der Früh­warn­stu­fe wäre mit Ver­sor­gungs­eng­päs­sen im Fal­le eines Gas-Embar­gos gegen­über der Rus­si­schen Föde­ra­ti­on nach Anga­ben der Bun­des­netz­agen­tur vor­aus­sicht­lich im Win­ter 2022/2023 erst­mals zu rechnen.

Da die Unter­neh­men des Gast­ge­wer­bes gera­de nicht zu den als „geschützt“ ein­ge­tra­ge­nen Kun­den gehö­ren, wären die Aus­wir­kun­gen der Not­fall­stu­fe 3 für das Gast­ge­wer­be ver­hee­rend. Bereits jetzt berei­ten die stei­gen­den Ener­gie­kos­ten einer Bran­che, die am stärks­ten unter den Aus­wir­kun­gen der Coro­na-Pan­de­mie zu lei­den hat, gro­ße wirt­schaft­li­che Schwie­rig­kei­ten. Eine denk­ba­re Ein­stel­lung der Gas­ver­sor­gung zulas­ten der Unter­neh­men des Gast­ge­wer­bes in den Win­ter­mo­na­ten wür­den zu einem fak­ti­schen „Lock­down“ in Kon­se­quenz füh­ren. Ohne Wei­te­res (wie in die­sem Zusam­men­hang bis dato unge­klär­te Fra­gen nach staat­li­cher Unter­stüt­zung in einem sol­chen Fall) wür­de dies zehn­tau­sen­de Unter­neh­men der Bran­che die Exis­tenz und noch mehr Beschäf­tig­ten den Job kosten.

Aller­dings ist damit nicht zwin­gend die Fra­ge beant­wor­tet, wie die Mehr­heit der Unter­neh­men des Gast­ge­wer­bes zu einem Gas-Embar­go gegen­über der Rus­si­schen Föde­ra­ti­on als har­te Sank­ti­ons­maß­nah­me steht. Dies ist ganz klar eine poli­ti­sche Fra­ge. Hier­zu ergibt es Sinn, eine qua­li­fi­zier­te Befra­gung der Unter­neh­men des Gast­ge­wer­bes durchzuführen.“

Elek­tro Lind
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