Lokal

Die Lage der Ver­an­stal­tungs­wirt­schaft nach der Corona-Pandemie

Veröffentlicht

am

Im Sep­tem­ber 2020 ging die Event­bran­che auf die Stra­ße, um bei der ers­ten Groß­de­mons­tra­ti­on der Initia­ti­ve “Alarm­stu­fe Rot” auf die Not­la­ge der Event­wirt­schaft auf­merk­sam zu machen. Tau­sen­de Unter­neh­men und etwa 1,5 Mil­lio­nen Men­schen waren von der Still­le­gung einer gan­zen Indus­trie betrof­fen, die nor­ma­ler­wei­se rund 130 Mil­li­ar­den Euro Umsatz im Jahr macht. Prof. Dr. Bernd Schab­bing ist Hoch­schul­leh­rer für Tou­ris­mus- und Event­wirt­schaft an der Inter­na­tio­nal School of Manage­ment (ISM) und Spre­cher des “Qua­li­täts­zir­kel Ver­an­stal­tungs- und Eventstu­di­um” (QZVE). Er zieht Bilanz nach den har­ten Ein­schnit­ten für die Bran­che und gibt einen Aus­blick, wel­che Ver­än­de­run­gen für die Ver­an­stal­tungs­wirt­schaft anstehen.

Mit der “Night of Light”, den Demons­tra­tio­nen unter dem Mot­to “Alarm­stu­fe Rot” und einer gro­ßen Stu­die zur gesamt­wirt­schaft­li­chen Bedeu­tung der Ver­an­stal­tungs­wirt­schaft hat­te die Bran­che 2020 einen Ver­such gestar­tet, poli­tisch Ver­ant­wort­li­che auf die extre­me Situa­ti­on der Event­bran­che auf­merk­sam zu machen und Sofort­maß­nah­men zu errei­chen. Doch die Hil­fen kamen zöger­lich und aus Sicht der Bran­che unzu­rei­chend. Auch die Erlaub­nis für Mes­sen und Ver­an­stal­tun­gen blieb pro­ble­ma­tisch, wech­sel­haft und kurz­fris­tig und damit oft unren­ta­bel. “Die Stu­die, für die sich 2020 die Mehr­heit der Ver­bän­de der Event­wirt­schaft zusam­men­ge­tan hat­te, zeigt erst­mals, wo in der Bran­che das Geld ver­dient wird und das sind mit 115 Mil­li­ar­den Umsatz die wirt­schafts­be­zo­ge­nen oder MICE-Events wie Mes­sen, Tagun­gen, aber auch Mar­ke­ting-Events — sie machen den Löwen­an­teil der Bran­che aus”, so Prof. Dr. Bernd Schab­bing, Co-Autor der Studie.

Ent­spre­chend den in der Stu­die genann­ten Zah­len lässt sich das Aus­maß der Fol­gen der Pan­de­mie und ihrer Bekämp­fung able­sen: 2020 fan­den von den geplan­ten 335 inter­na­tio­na­len, natio­na­len und regio­na­len Mes­sen nur 114 statt. Nach Berech­nun­gen des AUMA — Ver­band der deut­schen Mes­se­wirt­schaft sind Umsatz­rück­gän­ge von etwa 72 Pro­zent im Ver­gleich zum Vor­jahr 2019 zu ver­zeich­nen. Damit wur­den auch nur etwa 6 und nicht wie sonst 28 Mil­li­ar­den Euro an Wirt­schafts­um­sät­zen angeregt.

Auch in ande­ren Ver­an­stal­tungs­be­rei­chen waren ähn­lich star­ke Rück­gän­ge zu ver­zeich­nen. Betrof­fen waren nicht nur Mes­se­bau­er, Event­agen­tu­ren oder Tech­nik-Dienst­leis­ter, son­dern auch benach­bar­te Bran­chen wie Tou­ris­mus und Ver­kehr. Der Ver­band Deut­sches Rei­se­ma­nage­ment (VDR) bilan­zier­te einen Rück­gang des “Geschäfts­rei­se­tou­ris­mus” von 81,7 Pro­zent gegen­über 2019. In die­sem Jahr vor der Coro­na-Pan­de­mie wur­de die Rekord­sum­me von mehr als 55 Mil­li­ar­den Euro für beruf­li­che Mobi­li­tät aus­ge­ge­ben. Noch stär­ker als die Aus­ga­ben ist die Zahl der Geschäfts­rei­sen zurück­ge­gan­gen. Gab es 2019 noch rund 195 Mil­lio­nen Busi­ness-Trips ins In- und Aus­land, so waren es 2020 nur noch 32 Mil­lio­nen Reisen.

Deutsch­land ver­liert sei­ne Vor­rei­ter­rol­le in der MICE-Branche

Die gro­ßen Ein­schnit­te in der Ver­an­stal­tungs­bran­che haben zu einem gro­ßen und unum­kehr­ba­ren Ster­ben von Mes­se­ge­sell­schaf­ten, Event­agen­tu­ren und Dienst­leis­tern geführt. “Wir müs­sen davon aus­ge­hen, dass Deutsch­land durch die sehr star­ken und lan­gen Ein­schnit­te im Ver­gleich zu vie­len ande­ren Län­dern sei­ne Vor­rei­ter­rol­le in der inter­na­tio­na­len MICE-Bran­che mög­li­cher­wei­se schon ver­lo­ren hat”, schätzt Prof. Dr. Bernd Schab­bing die Situa­ti­on ein. Aus sei­ner Sicht ist es unsi­cher, wie vie­le der 160 Leit­mes­sen nach Deutsch­land zurück­keh­ren wer­den und wie es gene­rell mit inter­na­tio­na­len Mes­sen, Kon­gres­sen und Con­ven­ti­ons wei­ter­ge­hen wird. Das ist umso bit­te­rer, als Deutsch­land für die­sen Bereich eine attrak­ti­ve, inter­na­tio­na­le Ver­kehrs- und Loca­ti­on-Infra­struk­tur bie­tet sowie bei dem Umfang der Mes­se­flä­chen Welt­spit­ze ist — und bis­her hat­te Deutsch­land auch inter­na­tio­nal als MICE-Desti­na­ti­on einen exzel­len­ten Ruf.

Ein wei­te­res The­ma ist die Umstel­lung der Bran­che, die aus der Not gebo­ren wur­de. Vie­le Events wur­den in den letz­ten Mona­ten im Netz oder hybrid mit klei­nem Live-Anteil und einem Kom­mu­ni­ka­ti­ons­strang ins Netz durch­ge­führt. Zum Teil haben sie gut funk­tio­niert, so dass sie auch zukünf­tig abhän­gig vom Anlass zum Ein­satz kom­men wer­den. Ent­spre­chend wird sich der Markt der Kom­mu­ni­ka­ti­on und auch die Viel­falt der Live-Kom­mu­ni­ka­ti­on erwei­tern und aus­dif­fe­ren­zie­ren. Prof. Dr. Bernd Schab­bing schaut aber auch opti­mis­tisch in die Zukunft der Bran­che. “Maß­ge­schnei­der­te Lösun­gen wie wir sie in letz­ter Zeit erlebt haben, sind oft erfolgs­ver­spre­chen­der als Stan­dard­for­ma­te. Dafür braucht es aber Kom­pe­ten­zen inner­halb der Bran­che. Außer­dem zeigt uns eine Stu­die des Fraun­ho­fer Insti­tuts und des GCB, dass Live-Events zurück­kom­men wer­den, weil Kun­den und die Wirt­schaft das wün­schen. Mit den neu­en tech­no­lo­gi­schen Mög­lich­kei­ten wer­den wir viel­leicht sogar mehr Live-Kom­mu­ni­ka­ti­on erle­ben als zuvor.”

Vor­aus­set­zung ist, dass jetzt nichts mehr schief­läuft. Dann kann Deutsch­land wie­der sei­ne Rol­le als Glo­bal Play­er in der Ver­an­stal­tungs­wirt­schaft ein­neh­men. Mög­lichst nied­ri­ge Inzi­den­zen und ein gro­ßes Enga­ge­ment der Poli­tik sind für Prof. Dr. Bernd Schab­bing ent­schei­dend. Dar­auf wird die Bran­che nun ach­ten, denn in der Pan­de­mie haben sich die Akteu­re zur Akti­ons­ge­mein­schaft zusam­men­ge­fun­den, die hof­fent­lich dau­er­haft für die Bedeu­tung und Zukunft der Bran­che ein­ste­hen wird.

Die mobile Version verlassen