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Lang­sa­me­re Glo­ba­li­sie­rung erfor­dert Anpas­sung der Wachs­tums­stra­te­gien deut­scher Unternehmen

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Die deut­sche Wirt­schaft hat in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten stark von der Glo­ba­li­sie­rung pro­fi­tiert. Ent­spre­chend hoch ist die Bedeu­tung des Aus­lands­ge­schäfts sowohl für die direkt expor­tie­ren­den Unter­neh­men als auch für deren Zulie­fe­rer, die häu­fig aus dem Mit­tel­stand kom­men. In der Gesamt­be­trach­tung hin­gen im Jahr 2019 rund 28 % aller Arbeits­plät­ze (rund 12,6 Mil­lio­nen Erwerbs­tä­ti­ge) hier­zu­lan­de und 31 % der Brut­to­wert­schöp­fung (knapp 1.000 Mil­li­ar­den Euro) direkt oder indi­rekt vom Export ab. Das zeigt eine von KfW Rese­arch in Auf­trag gege­be­ne und von Pro­g­nos durch­ge­führ­te Stu­die zur Zukunft der Glo­ba­li­sie­rung und den Wachs­tums­per­spek­ti­ven deut­scher Unter­neh­men.
 
Wie groß die Bedeu­tung der Glo­ba­li­sie­rung für den Wohl­stand in Deutsch­land ist, ver­deut­licht der Blick auf deren Ein­fluss auf das Wirt­schafts­wachs­tum seit der Wie­der­ver­ei­ni­gung: Zwi­schen 1990 und 2018 wuchs das Brut­to­in­lands­pro­dukt je Ein­woh­ner in Deutsch­land im Durch­schnitt jähr­lich um rd. 1,4 %. Rund 0,3 Pro­zent­punk­te davon gehen auf die ver­stärk­te wirt­schaft­li­che, sozia­le und poli­ti­sche Inte­gra­ti­on Deutsch­lands in die Welt­wirt­schaft zurück. Der inter­na­tio­na­le Han­del mit Waren und Dienst­leis­tun­gen ist dabei ein wesent­li­cher Aspekt der Glo­ba­li­sie­rung, vor allem im Ver­ar­bei­ten­den Gewer­be. Im Fahr­zeug­bau, im Maschi­nen­bau, in der Phar­ma- und Che­mie­in­dus­trie aber auch in der Elek­tronik­in­dus­trie wer­den weit mehr als die Hälf­te der Gesamt­um­sät­ze im Aus­land erzielt.
 
In wel­chem Umfang die Export­stär­ke, die in den ver­gan­ge­nen Jah­ren einer der Erfolgs­fak­to­ren des deut­schen Wirt­schafts­mo­dells war, auch künf­tig ein Trei­ber des Wachs­tums sein kann, ist offen. Die Zukunft der Glo­ba­li­sie­rung und des inter­na­tio­na­len Han­dels scheint unsi­cher – nicht zuletzt auch, weil die Coro­na-Kri­se län­ger­fris­ti­ge Ver­än­de­run­gen in der Han­dels­po­li­tik und den Han­dels­be­zie­hun­gen der Unter­neh­men bewir­ken kann. Die aktu­el­le Ana­ly­se von Pro­g­nos für KfW Rese­arch ana­ly­siert die Aus­wir­kun­gen meh­re­rer mög­li­cher Ent­wick­lungs­pfa­de der Glo­ba­li­sie­rung auf Wachs­tum, Wert­schöp­fung und Erwerbs­tä­tig­keit in Deutsch­land in den nächs­ten zehn Jah­ren. In einem Sze­na­rio, in dem sich die Glo­ba­li­sie­rung so lang­sam fort­setzt wie seit 2010, wür­de das rea­le BIP zwi­schen 2023 und 2030 durch­schnitt­lich um 1,1 % pro Jahr wach­sen. Dies erscheint wahr­schein­li­cher als eine umfas­sen­de Deglo­ba­li­sie­rung oder ein erneu­ter Glo­ba­li­sie­rungs­schub, wie er in den 1990er und 2000er Jah­ren zu beob­ach­ten war. Denn die pro­tek­tio­nis­ti­schen Ten­den­zen der letz­ten Jah­re und die als geschwächt gel­ten­de Welt­han­dels­or­ga­ni­sa­ti­on erschwe­ren die wei­te­re Inte­gra­ti­on der Welt­wirt­schaft und die inter­na­tio­na­len Wert­schöp­fungs­ket­ten müs­sen die Coro­na-Kri­se ver­ar­bei­ten, auch wenn die Vor­tei­le inter­na­tio­na­ler Arbeits­tei­lung nach wie vor vor­han­den sind.
 
„Es spricht eini­ges dafür, dass die Glo­ba­li­sie­rung nach Über­win­dung der Coro­na-Kri­se in lang­sa­mem Tem­po vor­an­schrei­tet. Die Unter­neh­men sind gut bera­ten, sich mit einer sol­chen mög­li­chen Ent­wick­lung aus­ein­an­der­zu­set­zen – und über alter­na­ti­ve Wachs­tums­stra­te­gien nach­zu­den­ken“, sagt Dr. Frit­zi Köh­ler-Geib, Chef­volks­wir­tin der KfW. Die aktu­el­le Ana­ly­se von Pro­g­nos für KfW Rese­arch zeigt dabei drei Mög­lich­kei­ten auf, um Export­stra­te­gien anzu­pas­sen und neue Absatz­po­ten­zia­le zu erschlie­ßen:
 
- Stär­ke­re Fokus­sie­rung auf die Bin­nen­nach­fra­ge in Deutsch­land. Wachs­tums-chan­cen erge­ben sich hier vor allem aus den Mega­trends demo­gra­fi­scher Wan­del, Digi­ta­li­sie­rung sowie Kli­ma- und Umwelt­schutz.
- Ent­wick­lung neu­er, inno­va­ti­ver Export­pro­duk­te oder ‑dienst­leis­tun­gen. Die fort­schrei­ten­de Digi­ta­li­sie­rung und die zuneh­men­de Bedeu­tung von Kli­ma- sowie Umwelt­schutz dürf­ten auch inter­na­tio­nal wich­ti­ge Impul­se set­zen. Schon heu­te ist Deutsch­land zweit­größ­ter Expor­teur von Kli­ma- und Umwelt­schutz­tech­no­lo­gien.
- Erschlie­ßung neu­er, viel­ver­spre­chen­der Export­märk­te. Jen­seits der bis­he­ri­gen Absatz­märk­te in Euro­pa, Nord­ame­ri­ka und Ost­asi­en bie­ten eini­ge Schwel­len- und Ent­wick­lungs­län­der Chan­cen.
 
Neben der Wirt­schaft kann und muss auch die Poli­tik ihren Bei­trag für die Gestal­tung der künf­ti­gen Glo­ba­li­sie­rung leis­ten. „Es gilt, ver­läss­li­che außen­wirt­schaft­li­che Rah­men­be­din­gun­gen sicher­zu­stel­len und zu einem stär­ker regel­ba­sier­ten Han­dels­sys­tem zurück­zu­keh­ren. Der Abschluss neu­er Han­dels­ab­kom­men mit wachs­tums­star­ken Schwel­len- und Ent­wick­lungs­län­dern, eine wei­te­re Libe­ra­li­sie­rung des Dienst­leis­tungs­han­dels und die Schaf­fung eines digi­ta­len EU-Bin­nen­mark­tes kön­nen wesent­lich zu einer Stär­kung des inter­na­tio­na­len Han­dels bei­tra­gen,“ so Dr. Frit­zi Köhler-Geib.

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