Lokal
Bürgerwald Taunusstein: Magistrat beschließt neues Waldkonzept
„Bürgerwald in kommunalpolitischer Verantwortung“ auf den Weg gebracht
Der Magistrat hat einem neuen Konzept für den Taunussteiner Wald zugestimmt. Unter dem Titel „Bürgerwald in kommunalpolitischer Verantwortung“ plant die Stadt Taunusstein künftig in eigener Organisation eine naturnahe Waldbewirtschaftung sowie das Wildtiermanagement zu übernehmen. Für die Begleitung und Umsetzung des Konzepts soll eine Kommission auch mit fachkundigen Einwohnern eingesetzt werden.
Um Lösungen für die aktuelle und vor allem zukünftige Waldsituation zu entwickeln, hat die Stadtverwaltung die Bethmann-Waldberatung beauftragt, ein Konzept für eine zukunftsfähige Waldbewirtschaftung auf Basis eines Gutachtens der Wohlleben Waldakademie zu entwickeln. Empfohlen und zunächst vom Magistrat beschlossen, ist die im Konzept vorgeschlagene Einführung der naturgemäßen Waldbewirtschaftung, die Reduzierung des jährlichen Hiebsatzes für gesunde Buchen um 50 Prozent – woraus die Aufhebung des Einschlagstopps für gesunde Buchen resultiert – sowie der Aufhebung des Hiebsatzes für Fichten. Zentrales Element des Konzeptes ist die Verschiebung des Schwerpunktes weg von der Fokussierung auf den ökonomischen Nutzungsaspekt hin zu einer stärkeren Gewichtung der Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes. Um diese Prioritätensetzung konsequent einzuhalten, will die Stadt künftig die naturnahe Wald- und Jagdwirtschaft konsequent in Eigenregie umsetzen.
Beförsterung, Bewirtschaftung und Bejagung in kommunaler Organisation
Dem folgend übernimmt die Stadt die Beförsterung und Bewirtschaftung durch eigene Revierförster ab 2024. Derzeit werden diese Aufgaben von Hessenforst als Dienstleister erbracht. Künftig auslaufende Jagdpachtverträge sollen nicht verlängert werden, um die Jagd neu organisieren zu können. In das jagdliche Konzept sollen insbesondere verstärkt Taunussteiner Bürgerinnen und Bürger mit Jagdscheinen eingebunden werden. Hintergrund der Neuorganisation der Jagd sind die massiven Schäden an jungen Bäumen durch eine zu hohe Wildpopulation.
Zur Begleitung und Umsetzung des „Bürgerwalds in kommunalpolitischer Verantwortung“ soll eine Kommission auf Basis der Hessischen Gemeindeordnung bestehend aus dem Bürgermeister, Mitgliedern des Gemeindevorstandes und Gemeindevertretern sowie fachkundigen Bürgerinnen und Bürgern gebildet werden. Details dazu werden in den nächsten Wochen auf den Weg gebracht und durch die städtischen Gremien entschieden.
Ziel Stadtwald als Ökosystem für künftige Generationen erhalten
Bürgermeister Sandro Zehner fasst den aktuellen Handlungsdruck zusammen: „Wenn wir nicht heute entschlossen umdenken und unsere Waldbewirtschaftung auf ein neues, solides Fundament stellen, werden wir mittelfristig immer mehr Wald verlieren und nur mit sehr hohen Investitionen gegensteuern können, um unseren Stadtwald für künftige Generationen zu erhalten“, so der Bürgermeister. „Die Gutachten und Prüfungen im Vorfeld haben gezeigt, dass es essentiell ist, dass wir als Stadt die Wald- und Wildbewirtschaftung selbst organisieren müssen, um diesen Weg erfolgreich gehen zu können“, so Zehner. „Ein Bürgerwald in kommunalpolitischer Verantwortung bedeutet genau das: Wir setzen neue Prioritäten und nehmen die Umsetzung unserer Ideen und Ziele von Anfang bis Ende in die Hand.“
Nach der gutachterlichen Beurteilung des Zustandes des Stadtwaldes durch Wohllebens Waldakademie 2020 wurde deutlich, dass die große Trockenheit in den Jahren 2018, 2019 und 2020 auch in Taunusstein dazu geführt hat, dass die Fichten in weiten Teilen unter der massiven Borkenkäferplage absterben. Auch beispielsweise die heimische Buche steht unter großem Stress und zeigt bereits Schäden. Das führt zu einem reduzierten Wuchspotential und einem Verlust an Holzvorrat. Die 2017 beschlossene Forsteinrichtung, die den Holzeinschlag für die kommenden Jahre vorgibt, ist mit den damaligen Vorgaben nicht mehr realisierbar und muss entsprechend angepasst werden. Auf die nächsten zehn Jahre sei laut Gutachten kein positives wirtschaftliches Jahresergebnis im Stadtwald zu erzielen.
Bereits in der Forsteinrichtung 2017 wurde die naturgemäße Waldbewirtschaftung zusammen mit weiteren Zielen wie dem Arten- und Biotopschutz festgelegt. Laut Gutachten ein alternativloser Weg, den es jetzt konsequent mit der Neujustierung zu beschreiten gilt. Die auch in Taunusstein praktizierten flächigen Wiederaufforstungen durch Anpflanzung werden aus betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten im Gutachten kritisch beurteilt. Durch das Absterben der Fichte und dem Verlust innerhalb kürzester Zeit von rund 40 Prozent des Taunussteiner Waldes, sei ein Anpflanzen und vor allem der nachhaltige Schutz der Jungbäume vor Verbiss in dieser Größenordnung nicht zu finanzieren. Der Wald wird bei einer naturgemäßen Bewirtschaftung nicht sich selbst überlassen, sondern durch gezielte Einzelentnahme von Bäumen statt großflächiger Ernte und dem Vorrang einer natürlichen Selbstaussaat statt Anpflanzung bewirtschaftet. Auch künftig wird der Taunussteiner Stadtwald beispielsweise Brennholz für die eigenen Bürger produzieren und vermarkten.
Wildverbiss verursacht hohe Schäden und verhindert Naturverjüngung
Im neuen Konzept ist ein konsequentes Wildmanagement entscheidend, damit der Wald Chancen hat wieder nachzuwachsen. Rund 300.000 Euro Vermögensschaden entstünden laut Gutachten mindestens allein durch Verbiss des viel zu hohen Wildbestandes im Stadtwald. Großflächige Einzäunung oder Schutzhüllen bei Jungbäumen seien sehr kostenintensiv und auf der durch das Fichtensterben riesigen Fläche kaum möglich. Deutlich reduzierte Wildbestände sind nicht nur notwendig für die Naturverjüngung in den Beständen, sondern auch in der Entstehung einer blüten- und artenreichen Kraut- und Strauchschicht, die wiederum eine herausragende Rolle für die Artenvielfalt in der Insekten- und Vogelwelt darstellt. Nachweislich führen geringere Wildbestände zu einer höheren Baumvielfalt und damit zu einem resistenteren Wald.
Zehner betont, dass die letzten Jahre gezeigt hätten, wie verletzlich der Wald sei und welche drastischen und unmittelbaren Auswirkungen die sich verändernden klimatischen Bedingungen auch in Taunusstein hätten. Beispielsweise sei es wichtig, Totholz auf bestimmten Flächen im Wald zu belassen sowohl, um bei Starkregenereignissen mehr Wasser aufzunehmen und damit Hochwasser vorzubeugen als auch zur Kühlung durch die Verdunstung von gespeichertem Wasser. Zudem biete abgestorbenes Holz Lebensraum für Insekten, andere Tiere und Pflanzen und schütze den Boden vor Austrocknung.
Mach- und finanzierbarer Plan für künftige Generationen
Gegenfinanziert werden die zusätzlichen Personalkosten durch eigene Revierförster und der Wegfall der Jagdpacht durch die eingesparten Kosten der Beauftragung von Hessenforst sowie den geringeren Kosten für flächige Aufforstungen und den damit verbundenen Schutzmaßnahmen. Zehner macht deutlich, dass der Weg zu einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung lang sei: „Wir haben uns nach der zu erwartenden aber ernüchternden Beurteilung des Zustandes unseres Waldes umfassend beraten lassen und jetzt einen mach- und finanzierbaren Plan vorgelegt. Aber es sind noch viele Fragen zu klären und sicherlich auch viele Hürden zu nehmen, bis er Realität werden kann“, so Zehner. „Wir wollen diesen Weg zu einem nachhaltigen Bürgerwald gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt gehen – für ein Taunusstein, das auch für unsere Enkelkinder eine Stadt im Grünen ist.“
Über die Hälfte der Fläche Taunussteins besteht aus Wald. 37 Prozent davon – 2534 Hektar – sind im Besitzt der Stadt, der Rest ist Staatswald.
Nach dem jetzt erfolgten Beschluss im Magistrat, wird das Vorhaben zunächst im Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Mobilität beraten und final der Stadtverordnetenversammlung am 25. November zur Entscheidung vorgelegt.